Wolfgang Buhl (Ingeborg Höverkamp)

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Bei dem Artikel Wolfgang Buhl (Ingeborg Höverkamp) handelt es sich um einen Vortrag, den Ingeborg Höverkamp am 15. April 2015 in der Stadtbibliothek Nürnberg hielt.

Vorbemerkung

Ingeborg Höverkamp verfaßte folgende Pressemitteilung zur Gedenkveranstaltung für Wolfgang Buhl. Sie erschien im Intranet des Bayerischen Rundfunks.

Pressemitteilung

Heute, am 15. April 2015 findet um 11.30 Uhr eine Gedenkveranstaltung zum 90. Geburtstag von Wolfgang Buhl in der Stadtbibliothek Nürnberg statt. Freunde und Weggefährten, wie der BR-Journalist Gerhard Brack, der ehemalige Nürnberger Kulturreferent Hermann Glaser, die Autorin Ingeborg Höverkamp und der BR-Journalist Rainer Lindenmann, lassen Leben und Wirken Buhls Revue passieren. In den 27 Jahren seines Wirkens ist es ihm gelungen, das fränkische Studio zu einem Mittelpunkt des nationalen und internationalen kulturellen Radiodiskurses aufblühen zu lassen. Autoren wie Böll, Kesten, Koeppen, Enzensberger, Torberg und Hildebrandt holte er an seinen literarischen Musenhof, wie Horst Krüger sagte. Als Leiter des Studio Franken förderte er auch die fränkische Mundartliteratur, sorgte aber dafür, daß nur literaturfähige Mundart über den Äther ging. Fitzgerald Kusz, Engelbert Bach und Gerhard Krischker verdanken ihm, daß er ihnen ein Podium bot.
Auf die Initiative des Wahlfranken Buhl aus Sachsen gehen die Studiogespräche zurück und er verschaffte dem Frankensender - dank seiner guten Argumente und mit Verweis auf den Erfolg seiner Sendungen - das Gewicht, das er verdiente. Die Zahl der jährlich produzierten Sendungen stieg von 250 auf 600. An sein erstes Gespräch mit dem legendären Programmdirektor Walter von Cube erinnerte sich Wolfgang Buhl genau: „Und nun, Buhl, müssen Sie da oben die Wüste bestellen!“ Schon wenige Jahre nach seinem Amtsantritt 1963 war es dem engagierten Redakteur gelungen, die fränkische Wüste zum Blühen zu bringen. Als einen Glücksfall kann man seine Honorarprofessur in Erlangen ansehen, denn hier fand er den Schnittpunkt zwischen Theorie und Praxis und vermittelte den Studenten seine reiche Erfahrung.
Mit Parodie und Satire hatte 1953 die literarische Laufbahn Buhls begonnen, als er sein Buch „Die Äpfel des Pegasus“ publizierte, in dem er Autoren wie Thomas Mann, Hemingway, Remarque, Sartre und Kafka parodierte. Aus einer BR-Sendereihe gingen „Die Fränkischen Klassiker“ hervor, die erste fränkische Literaturgeschichte. Und mit seinem Roman „Karfreitagskind“ thematisiert er die Trennung einer Familie im geteilten Deutschlands. Als Autor war Buhl ein Wortjongleur, seine langen Sätze - mit Nebensätzen, Einschüben und hingeworfenen Wortfetzen dazwischen, jonglierte er so versiert, daß dem Leser schwindlig werden kann, aber immer führte er sie zur Pointe. Wen wundert es, wenn man weiß, das Buhl seit seiner Schulzeit Kleist zu seinem Vorbild erkoren hatte. Seit dem 10. August 2014 schweigt seine Stimme, wir trauern um ihn, aber sein Vermächtnis bleibt.
Weitere Infos unter: Schreibwerkstatt „Blaue Feder“

Vortrag

Wolfgang Buhl
Journalist und Autor,1925 - 2014
Von Ingeborg Höverkamp

Nun kann ich ihm keine Fragen mehr stellen, kann ihm nicht mehr von meinen Projekten erzählen und vermisse einen seiner Lieblingssätze: „Halten Sie die Ohren steif.“ Mein Freund und Weggefährte Wolfgang Buhl ist tot. Ich lernte ihn bei meinen Recherchen über eines seiner Rundfunkkinder, Elisabeth Engelhardt, kennen. Damals stand ich ganz am Anfang meiner Autorenkarriere. Sofort stellte er mir, wie so vielen anderen, seine reiche Erfahrung zur Verfügung, bot Hilfe an, ermutigte mich, wenn ich an mir zweifelte, warnte vor Irrwegen und freute sich, wenn mir die ersten Schritte auf dem glatten literarischen Parkett gelungen waren. Es entwickelten sich Fachgespräche, die keiner von uns mehr missen wollte und im Lauf der Zeit durfte ich seine Güte und Freundschaft erfahren. Vor einigen Jahren, als seine Frau Renate verstorben war, und er über Einsamkeit klagte, begann ich, Interviews über sein Leben und sein Wirken mit ihm zu führen. Da blühte er auf und für mich öffneten sich seine Welt, sein berufliches und privates Umfeld, sein Leben als Journalist, Autor, fürsorglicher Ehemann, als Kulturvermittler- und -förderer und als Professor für Publizistik: Reiches Material, das ich nun - mit der Ernte meiner Recherchen - gemeinsam mit Gerhard Brack - zu einer Biographie verarbeite. Ja, auch als Zauberer habe ich den Rundfunkmann Buhl erlebt:

„Glanzstunden manchmal. Studiogespräche. Fast wie ein Herr aus 1001 Nacht. Andächtig zuhörende Menschen - und da kommt einer mit seinen Worten; in jedem zweiten steckt eine Anspielung, in jedem dritten die Freude des Zauberers“, schrieb Godehard Schramm anläßlich des 60. Geburtstags von Wolfgang Buhl. Ja, er war ein Wortjongleur. Aber bis es so weit war, mußte er so manche Hürde überspringen.
Geboren wurde er am 15. April 1925 in Reinsdorf in Sachsen (heute ein Stadtteil von Zwickau) als Sohn des Volksschullehrers Fritz Buhl und seiner Frau Elsa, geb. Schäfer. „Wenn du mal Lehrer wirst, schmeiß ich dich raus“, warnte ihn der Vater, denn damals war der Beruf eines Lehrers schlecht bezahlt. Nach dem Notabitur 1943 wurde der junge Soldat Wolfgang Buhl in Norwegen eingesetzt, nach kurzer englischer Kriegsgefangenschaft entlassen und war fest entschlossen, Zahnarzt zu werden. Den Schicksalsgöttinnen sei Dank, daß es in Erlangen nicht genügend Laborplätze gab und sich der angehende Student für Germanistik, Theaterwissenschaften, Geschichte und Philosophie entschied. Vor Studienbeginn floh er aus Sachsen über die grüne Grenze nach Westen. Ein Trauma - das er in seinem späten autobiographischen Roman „Karfreitagskind“(1999) verarbeitete und die Folgen aufzeigte. Dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag zur jüngsten deutsch-deutschen Geschichte, beispielhaft für die gewaltsame Trennung einer Familie. An den Anfang des Romans hat Buhl die Sterbeszene seiner Mutter gesetzt, eine der besten literarischen Todesszenen im deutschsprachigen Raum. Wie in seinem gesamten Werk schimmert immer wieder Satire durch - ein Genre, das er meisterhaft beherrschte. Mit Parodie und Satire begann seine literarische Laufbahn. 1953 erschien sein erstes Buch „Die Äpfel des Pegasus“, in der Reihe „Bank der Spötter“ im Verlag Stegemann, in der auch Autoren wie Karl Valentin publizierten. Buhl parodierte darin die Großen der Branche unter anderem Thomas Mann, Hemingway, Remarque, Sartre und Kafka. 1950 hatte er sein Studium mit der Dissertation „Der Selbstmord im deutschen Drama vom Mittelalter bis zur Klassik“ bei Professor Baumgart abgeschlossen. Dieses Thema „Der Selbstmord“ hatte sich bei ihm eingenistet, wie er sagte, als auf der Erlanger Studentenbühne Stücke von Sartre gespielt wurden, die er in der Studentenzeitung DEU rezensierte. Die Beschäftigung mit der Philosophie Sartres und Camus` führte zu der Erkenntnis, daß es nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem gebe, den Selbstmord.
In den Nachkriegsjahren bewarb er sich erfolglos bei einigen Zeitungen, - noch mangelte es an Papier und die Zeitungen erschienen nur unregelmäßig - und fiel durch die Aufnahmeprüfung der Journalistenschule in München. Die Durststrecke überbrückte er als Hilfsarbeiter auf dem Bau und als Nachtwächter, bis er 1953 als Volontär bei den Nürnberger Nachrichten anfangen konnte. Schon nach einem Jahr konnte er als Redakteur im Feuilleton seine Begabung entfalten. 1959 heiratete er Renate Thume, die er schon während seiner Studienzeit kennengelernt hatte. Der Zeitungsverleger und Gründer der Nürnberger Nachrichten Joseph Drexl bescheinigte seinem scheidenden Mitarbeiter im Arbeitszeugnis vom 11. 2. 1963 Hervorragendes auf den Gebieten Film-, Theater- und Fernsehkritik, der aktuellen Berichterstattung und bei der Besprechung literarischer Neuerscheinungen geleistet zu haben. Auf Buhls Initiative ging auch die Seite „Das Kabarett“ zurück, die er mit Zeitsatiren füllte und die mit Karikaturen versehen wurden. - Witzig, frech, immer seine individuelle „Handschrift“ tragend und mutig, verkörperten seine Artikel die Generation der jungen Journalisten in der noch jungen Bundesrepublik.
Da wurde der Rundfunk auf den außergewöhnlich begabten Journalisten aufmerksam. Konrad Michel, der damalige Studioleiter des BR-Studios Nürnberg, holte ihn 1963 ins Boot. Das fränkische Studio sendete zu jener Zeit fast ausschließlich Musik, eine einzige Sendestunde pro Woche war dem fränkischen Sender anfangs genehmigt worden. Die Abteilung WORT sollte nun der engagierte Redakteur Wolfgang Buhl aufbauen. So konnte er am Ende seiner Karriere mit Recht sagen, er habe „dem BR-Studio Nürnberg das Sprechen beigebracht“ Seit1990 heißt es Studio Franken). Wöchentlich waren Fahrten nach München zum Hauptsender notwendig. An das erste Gespräch mit dem legendären Programmdirektor Walter von Cube erinnert sich der Rundfunkredakteur genau: „Und nun, lieber Buhl, müssen Sie da oben die Wüste bestellen,“ sagte Cube zum Abschied. Im Laufe der Jahre gelang es Wolfgang Buhl - dank seines Geschicks, andere zu begeistern, seines umgänglichen Wesens, seiner umfassenden Bildung, seines unermüdlichen Fleißes und seiner journalistischen sowie literarischen Begabung, blühende fränkische Kulturlandschaften zu erschaffen.
Auf seine Idee und Realisation gehen die „Studiogespräche“ zurück. Von diesen „Glanzstunden“ sprach Godehard Schramm eingangs. Den Anfang machte Thomas Dehler mit dem Thema „Ein Lob auf Franken“. Rund zweihundert Gäste folgten gespannt den stets originellen und geistvollen Einführungen Buhls, bis der Referent das Wort bekam. Nachher traf sich die Creme de la Creme der Nürnberger Gesellschaft - lebhaft diskutierend - im Gang des Gebäudes bei einem Glas Frankenwein. Aus dem Bereich der Literatur gelang es Buhl, der nach einigen Jahren zum Leiter der Abteilung Wort befördert wurde, auch die erste Garnitur des Genres einzuladen, wie Heinrich Böll, Wolfgang Koeppen, Dieter Hildebrand, Horst Krüger und Hermann Kesten. Aber er griff auch Themen aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Musik auf. Nike Wagner, Hildegard Hamm-Brücher und Thomas Dehler waren einst illustre Gäste. Aus der Sendereihe „Literatur in Franken“ stellte Buhl die erste fränkische Literaturgeschichte zusammen, die „Fränkischen Klassiker“, von Wolfram von Eschenbach bis Hermann Kesten, bis heute ein Standardwerk.
Den fränkischen Mundartdichtern bot er ein viel beachtetes Forum, er holte die Mundartdichtung aus ihrer Heimattümelei und sorgte dafür, daß nur literaturfähige Mundart über den Äther ging. Er förderte Autoren wie Fitzgerald Kusz, Wilhelm Staudacher, Gottlob Haag, Engelbert Bach und Gerhard Krischker. Ab 1978 sorgte er als Studioleiter dafür - dank seiner Autorität, seiner guten Argumente und mit Verweis auf den Erfolg seiner Sendungen - daß die Zahl der pro Jahr produzierten Sendungen von 250 auf 600 stieg. Eine seiner beliebtesten Sendungen war „Wie `s fränkisch klingt“. Als er im Jahr 1990 - ungern - in Pension ging, hatte er „sein Haus“ gut bestellt - und avancierte zum Vorbild für seine Nachfolger.
Schon 1985 war er zum Honorarprofessor für Publizistik an die Universität Erlangen berufen worden, einer Pflicht, der er ein Mal wöchentlich mit Leidenschaft nachkam und die er auch noch im Ruhestand fortsetzte. Einige Generationen von Doktoranden und angehender Magister ließ er seine reiche Erfahrung zukommen. In zahlreichen Verbänden und Gremien war Wolfgang Buhl Mitglied, wie im PEN-Zentrum, im VS, der Erich-Kästner-Gesellschaft und dem bayerischen Journalistenverband.
Im Ruhestand hatte er dann die Muße, seinen Roman „Karfreitagskind“ zu schreiben. Während seiner Rundfunkzeit waren bereits rund 30 Bücher erschienen, meist mit fränkischen Themen, die er entweder als Anthologie oder als alleiniger Autor publiziert hatte. Es folgte als letztes Buch „Requiem für einen Chefredakteur“, in dem er seinem verehrten Chefredakteur Buschmann von den Nürnberger Nachrichten ein Denkmal setzte. In diesem Buch läßt er noch einmal die Welt der Journalisten aus den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts aufleben. Wichtige Auszeichnungen, die seine Bedeutung für die fränkische Kultur und sein eigenes literarisches Schaffen würdigten, rundeten seinen Weg ab. 1990 erhielt er den Frankenwürfel, 1992 den Wolfram-von-Eschenbach-Kulturpreis und 1994 die Bürgermedaille der Stadt Nürnberg.
Am 10. August 2014, kurz nach 13 Uhr, ist Wolfgang Buhl im 90. Lebensjahr nach längerer Krankheit verstorben. Man findet sein Grab auf dem Waldfriedhof in Schwaig, wo er neben seiner Frau Renate die letzte Ruhe fand.

Kommentar

Bei der Gedenkveranstaltung hörte man auch Hermann Glaser und Rainer Lindenmann und man sah auch die Weggefährten Fitzgerald Kusz und Godehard Schramm.

Literatur

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Einzelnachweise und Anmerkungen