Rechtschreibreform und Nationalsozialismus

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Die Untersuchung Rechtschreibreform und Nationalsozialismus deckt auf, daß die Schulschreibreform von 1996 ihre Wurzeln im Dritten Reich hat.

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Rechtschreibreform und Nationalsozialismus.
Ein Kapitel aus der politischen
Geschichte der deutschen Sprache
Mediengattung Dokumentation
Herausgeber Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung
Autoren Reinhard Markner, Hanno Birken-Bertsch
Seitenzahl 136 Seiten
Einband / Preis brosch., Euro 15,– / sFr 28,10
Erscheinungsjahr 2000
Auflage 2. Auflage, 2004
ISBN 3-89244-450-1
Verlag Wallstein Verlag GmbH
Anschrift Geiststraße 11
37073 Göttingen
Telefon 0551 / 548 98-0
Telefax 0551 / 548 98-33
Netzpost info@wallstein-verlag.de
Netzseiten http://www.wallstein-verlag.de

Einführung

Die Kultusminister der 16 Bundesländer und die Rechtschreibreformer wichen der Frage aus, ob die Schulschreibreform von 1996 ihre Wurzeln im Dritten Reich hat. Der vorliegende Band „Rechtschreibreform und Nationalsozialismus“ weist die historische Kontinuität zwischen der Rechtschreibreform des Dritten Reiches, den Reformbemühungen der DDR und der als »progressiv« und »modern« angepriesenen Schulschreibreform von 1996 nach.

Geschichte

Die Neuregelung der deutschen Orthographie von 1996 steht in ebenso ungebrochener wie (bisher) unausgesprochener Kontinuität zu den Reformbemühungen des Reichserziehungsministers Bernhard Rust. Die Schulschreibreform von 1996 stimmt – von einer einzigen Regelung abgesehen – fast völlig mit jener Rechtschreibreform überein, die Reichsminister Rust 1944 vorlegte.

Schon am 1. Juli 1944 notierte Joseph Goebbels: „Rust hat durch eine seiner Dienststellen ein Heft über moderne deutsche Rechtschreibung herausgegeben. Dieses Heft stellt so ungefähr das Tollste und Ungebildetste dar, was wir uns seit vielen Jahren geleistet haben. Ich werde mit diesem Heft noch einmal den Führer befassen müssen.“ [1] Daraufhin unterzeichnete Hitler am 24. Juli 1944 einen entsprechenden Führerbefehl und stoppte die Rechtschreibreform. [2]

Bereits 1988 hatte Doris Jansen-Tang in ihrer Untersuchung „Ziele und Möglichkeiten einer Reform der deutschen Orthographie seit 1901“ die Reformbestrebungen (vor und) nach 1933 recht konkret geschildert. [3]

Der Sprachwissenschaftler Theodor Ickler (Universität Erlangen) hatte 1999 eine „weitestgehende Übereinstimmung“ der gegenwärtig verordneten Reform mit dem Nazi-Reformplan von 1944 festgestellt; er sieht den Grund für die Übereinstimmung darin, daß es eine „Kontinuität der Personen und Ideen“ gibt.

Evident ist jedenfalls, daß Reformer wie Mentrup und Augst oder Zabel über die Vorhaben in der NS-Zeit hätten informiert sein müssen und über inhaltliche Kongruenzen nicht hätten überrascht sein dürfen.

Auf die Ähnlichkeit der beiden Reformen hatte dann am 12. Mai 1998 bei der Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Christian Meier hingewiesen. Dies wurde von der seinerzeitigen Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz als unstatthaft zurückgewiesen; denn sie und ihre Kultusministerkollegen seien »demokratisch legitimiert«. Daß es einem demokratisch verfaßten Staat womöglich nicht zustehen könnte, Sprachregelungen ohne parlamentarische Gesetzgebungsverfahren nur mit einfachen Kultusministererlassen zu verfügen, kam ihr nicht in den Sinn.

Die Aufklärung der politischen Vorgänge um die deutsche Orthographie steht erst am Anfang. Wolfgang Illauer forderte daher aus guten Gründen einen Untersuchungsausschuß, der über die im Geheimen ausgehandelten Vorgänge aufklärt.

Rechtschreibung

Der Band ist in der bewährten klassischen traditionellen Orthographie verfaßt. [4]

Veröffentlichungen

  • Reinhard Markner, Hanno Birken-Bertsch: Schrift und Rede, Rechtlautung und Rechtschreibung. Traditionslinien der Rechtschreibreform (1944/1996). In: Neue Rundschau. Fischer, Frankfurt am Main 2000, ISSN 0028-3347, S. 112–124

Rezensionen

  • Kurt Reumann: Die Vergangenheit von „kuss“ und „keiser“. Die heimliche Rechtschreibreform der Völkischen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 2. Oktober 2000, S. 9,
  • Hans Krieger: „Klar, schlicht und stark“ – Sollen wir schreiben wie die Nationalsozialisten? Das verdrängte Vorbild der Rechtschreibreform. In: Süddeutsche Zeitung vom 2. Oktober 2000 - SZ
  • Dankwart Guratzsch: Die Kleinschreibung spart 35 000 Tonnen Blei. Die Rechtschreibreform wurzelt nicht in der NS-Zeit. Aber ihre Ziele wollte schon der Reichsminister für Volksbildung realisieren. In: Die Welt vom 4. Oktober 2000 - WELT
  • Heimo Schwilk: Rechtschreibung nach Nazi-Vorbild? In: WELT am SONNTAG vom 8. Oktober 2000, S. 38
  • Theodor Ickler: Peinliche Vorläufer. »Rechtschreibreform und Nationalsozialismus«: Parallelen bei der Durchsetzung der neuen Orthographie. In: Rhein-Neckar-Zeitung vom 25. November 2000 - VRS-Forum
  • Johannes Saltzwedel: „Völkischer Aufbruch“. In: Der Spiegel Nr. 36 vom 30. August 2004, S. 161 bis 164, Kultur (Während der NS-Zeit planten linguistische Eiferer eine radikal veränderte Rechtschreibung. Zwar stoppte Hitler selbst das Projekt - aber die Ideologen machten nach Kriegsende weiter. […] „So viel Material zu finden, das hätten wir kaum für möglich gehalten“, erzählt > Markner, 37. […] was sie entdeckten - und in einem präzise recherchierten > Buch auch publik machten - liefert ein geschichtliches Lehrstück der ungewohnten Art. […] Erst die 68er-Bewegung brachte einer neuen Generation von Reformern den nächsten Auftritt. Mit der Botschaft, Schüler sollten weniger Fehler machen, nutzten die Schreibänderer nun die linke Vision der Chancengleichheit als Vehikel ihrer Pläne. Und diesmal drang das „Volksbeglückungsprojekt“ (Markner) nach Jahren der Lobbyarbeit tatsächlich durch: Mit vielen Abstrichen wurde 1996 eine Schrumpf-Version des Neuschriebs beschlossen; 1998 trat sie in Kraft. Die Folgen spüren Leser und Schreibende bis heute. Reinhard Markner meint lächelnd: „Eigentlich hätte Helmut Kohl die Sache damals leicht stoppen können - mit ein paar gezielten Anrufen.“)
  • Werner Guth: Hochdeutsch und Mundarten: Pläne der Nazis. In: Der Mundart-Kurier Nr. 5, 2005, S. 13
  • Wolfgang Mentrup: Stationen der jüngeren Geschichte der Orthographie und ihrer Reform seit 1933. Zur Diskussion, Texttradition und -rezeption. Unter Mitwirkung von Kerstin Steiger. Tübingen: Narr, 2007, 687 S., ISBN 978-3-8233-6026-1, ISBN 3-8233-6026-4 (Studien zur deutschen Sprache; Band 29)

Literatur

  • Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Hrsg.): Regeln für die deutsche Rechtschreibung und Wörterverzeichnis. Berlin: Deutscher Schulbuchverlag, 1944
    • Karl Reumuth: Fosfor, Kautsch, Plato, Ragu, Tese, Träner. Neue Regelung für die Rechtschreibung. In: Hannoverscher Kurier vom 27. Juni 1944
  • W[enzel] Trausel: Wörterbuch für Rechtschreiben und Rechtlauten der Reichssprache. Mit einer Einführung in die Rechtlautung der deutschen Hochsprache und mit besonderer Berücksichtigung der Wortbedeutung und der Wortbildung. Bearb. W. Trausel. Reichenberg: Roland-Verlag, 1944, 252 S.
  • Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Hrsg.): Regeln für die deutsche Rechtschreibung und Wörterverzeichnis. Berlin: Deutscher Schulbuchverlag, 1945, 96 S.
  • Doris Jansen-Tang: Ziele und Möglichkeiten einer Reform der deutschen Orthographie seit 1901. Historische Entwicklung, Analyse und Vorschläge zur Veränderung der Duden-Norm, unter besonderer Berücksichtigung von Groß- und Kleinschreibung und Interpunktion. Zugleich: Universität Bonn, Diss., 1986. Frankfurt am Main; Bern; New York; Paris: Lang, 1988, 661 S., ISBN 3-8204-1355-3 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur; Band 1033)
  • Wolfgang Kopke: Rechtschreibreform und Verfassungsrecht. Schulrechtliche, persönlichkeitsrechtliche und kulturverfassungsrechtliche Aspekte einer Reform der deutschen Orthographie. Zugleich: Universität Jena, Diss., 1995. Tübingen: Mohr, 1995, XII, 452 S., ISBN 3-16-146524-5
  • Theodor Ickler: Amtssprache Deutsch. In: Bayerische Staatszeitung vom 24. April 1998
  • Theodor Ickler: Die einzige wirkliche Rechtschreibreform in Deutschland. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 129 vom 8. Juni 1998, S. 9 - VRS-Forum
  • Christian Meier: Die einzige wirkliche Rechtschreibreform in Deutschland. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 129 vom 8. Juni 1998, S. 9 - VRS-Forum
  • Gerhard Müller: Miszellen zur Reform der deutschen Rechtschreibung im „Dritten Reich“. Dokumente aus der Zeitschrift des Deutschen Sprachvereins „Muttersprache“ 1933-1943, Dezember 2009 - PDF muellers-lesezelt.de

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Netzverweise

  • Rechtschreibreform und Nationalsozialismus - VRS-Forum

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Vgl. Götz Aly: Wenn das der Führer wüsste. In: Berliner Zeitung vom 7. Oktober 2000 - berliner-zeitung.de
  2. Hanno Birken-Bertsch, Reinhard Markner: Rechtschreibreform und Nationalsozialismus. Göttingen: Wallstein-Verlag, 2000, S. 107
  3. Doris Jansen-Tang: „Ziele und Möglichkeiten einer Reform der deutschen Orthographie seit 1901“, Abschnitt 1.2.4, „1933–1945“, S. 79–84. Sie ging dabei näher auf die Regeln für die deutsche Rechtschreibung, herausgegeben vom Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust (1883–1945) samt deren Kritik ein und schrieb ausdrücklich: „der ausführlichste bzw. original getreuste Wiederabdruck erfolgte im 'Sprachwart' (1953), S. 99 f.“ – eine damals wie noch viele Jahre später bekannte und für graphisches Gewerbe und Sprachpflege einschlägige Zeitschrift. So brachte tatsächlich Heft 7/1953 des Sprachwarts (Dritter Jg., hrsg. von der Korrektorensparte der Industriegewerkschaft Druck und Papier; Hannover) auf S. 98 f. eine Stellungnahme zur Frage der Rechtschreibreform von Bernhard Puschmann (Oberkorrektor, später, ab 1976 Mitglied der Rechtschreibkommission der Gesellschaft für deutsche Sprache) und anschließend, gezeichnet von L. S., den Bericht Die Rechtschreibreform von 1944. Rechtschreibänderungen, die nicht durchgeführt wurden (S. 99–101). Hier wird der Aufsatz Neue deutsche Rechtschreibung aus dem Jahr 1944 wiedergegeben, den „einige deutsche Zeitungen“ seinerzeit veröffentlicht hatten, verfaßt von Dozent Dr. Karl Reumuth. Er ging auf das „Büchlein“ Regeln für die deutsche Rechtschreibung ein, „das in den kommenden Wochen den deutschen Schulkindern in die Hand gegeben wird“; hier werde hauptsächlich der „Weg zu einer eingedeutschten und vereinfachten Schreibung der Fremdwörter“ aufgezeigt (S. 100). Vermerkt wird von L. S. auch, „daß die in neuer Rechtschreibung gedruckten 'Regeln' eingestampft wurden und die neue Rechtschreibung kurz nach der Geburt das Zeitliche segnete“ (S. 99).
  4. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1998, Az.: 1 BvR 1640/97, S. 59, wird festgestellt, es gebe kein Rechtschreibgesetz, sondern bloße Kultusministererlasse. Jedermann könne außerhalb des Schulbereichs so weiterschreiben wie bisher. Damit bestätigte das Bundesverfassungsgericht den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 26. März 1998: „Die Sprache gehört dem Volk.“