Markus Wolf (Willi Eisele)

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Der Artikel Markus Wolf (Willi Eisele) ist ein Kommentar von OStD Willi Eisele zum Leben des Spionagechefs der DDR, Markus Wolf.

Markus Wolf (1923-2006)
Wikimedia Commons

Einführung

Autor

Willi Eisele

Willi Eisele (* 1946) ist Gymnasiallehrer und Oberstudiendirektor i.R. und war bis 2011 Schulleiter des Gymnasiums Fürstenried. Er ist seit 1997 Vorsitzender der Landesfachgruppe Geschichte/Sozialkunde im Bayerischen Philologenverband und seit 1988 Mitglied des Hauptvorstandes des Verbands der Geschichtslehrer Deutschlands (VGD).

Zur Vorgeschichte

Kommentar zu Markus Wolf

Markus („Mischa“) Wolfs Leben für die Stasi - „mit ganzem Herzen dabei“
Von Willi Eisele

Politische Biographie

Als 1989 die Mauer fiel und die DDR sich auflöste, hatte sich ein MfS-Offizier, die „Nummer 2“ im Mielke-Apparat, als 63jähriger bereits 1986 als Generaloberst aus seinem Amt verabschiedet: Markus („Mischa“) Wolf, der am 19. Januar 1923 im schwäbischen Hechingen als Sohn des jüdischen Arztes, Schriftstellers („Kunst ist Waffe!“) und Kommunisten Friedrich Wolf (1888-1953) geboren wurde, [1] lebte nach dem Familienexil 1933 in der Schweiz und in Frankreich.

Familiär vorgeprägt hat er seit 1934 bis 1945 in der Sowjetunion den Kommunismus als Stalinismus kennengelernt und sich als Anhänger der Exil-KPD mit dieser Ideologie identifiziert. Als Absolvent der Spezialschule der Komintern (Baschkirien) wirkte er als gerade Volljähriger im Kollektiv des „Deutschen Volkssenders“ (1943/45) mit.

Geschult nach den Regeln der Konspiration für den „illegalen Einsatz“ war Markus Wolf damit als „Freund der Sowjetunion“ nach 1945 prädestiniert für den Einsatz beim Berliner Rundfunk (Ost-Berlin, SBZ), als „Mark F. Wolf“ Berichterstatter bei den Nürnberger Prozessen und ab 1951/52 in einer Leitungsfunktion des „Außenpolitischen Nachrichtendienstes“ (APN). Markus Wolf baute aus dieser Position 1953 die Abteilung XV in den Bezirksleitungen und die HVA des MfS auf und leitete diese dreißig Jahre lang bis zu seinem Ausscheiden als „Hauptabteilung Aufklärung“ des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.

Der „Schatten-Mann“ Markus Wolf, auch als „Mann ohne Gesicht“ (bis 1978) bezeichnet, führte bis zu 4.000 Auslandsagenten v.a. im „Operationsgebiet West“ (BRD). Er hat sich in mehreren Publikationen als „Kundschafter des Friedens“ für die DDR bekannt [2] und zeitlebens gemäß MfS-Sprachregelung den Begriff „Spion“ zurückgewiesen. Für seine erfolgreiche Plazierung von Perspektivagenten seien exemplarisch genannt: der Kanzleramtsspion Günther Guillaume unter Willy Brandt, im NATO-Hauptquartier die Topquelle Rainer Rupp („Topas“), im Bonner Wirtschaftsministerium Johanna Olbrich („Sonja Lüneburg“) oder beim BND in Pullach Dr. Gabriele Gast („Gisela Gehlert“).

Schriftsteller – eine neue Perspektive in „proletarisch-revolutionärer Tradition“?

War es der Tod seines jüngeren Bruders Konrad (1925-1982), der Markus Wolf bereits 1983 bewogen haben mag, einen Rentenantrag zu stellen? Der Vorgang konnte von der SED-Führung als Provokation, von Insidern als Flucht aus der Verantwortung oder als Neuorientierung an der Familientradition gedeutet werden. War es eine Zäsur im eigenen Privatleben (Trennung von seiner zweiten Ehefrau Christel, die sich dem BND geoffenbart hat) oder nur „Lust auf Neues“? Daß in der geschlossenen Struktur des MfS Erich Mielke auf die Planung einer Perspektive für Markus Wolf verzichten würde, erscheint unwahrscheinlich. Daß die SED- und Staatsführung der DDR für ihn, dekoriert mit dem „Karl Marx-Orden“ (1986) auf Weisung des KGB kein Risiko eingehen wollte und ihn für weitere Tätigkeiten mit Büro, Dienstwagen und Personenschutz ausgestattet hat, [3] spricht dafür, daß solche „Fürsorge“ mehr der Person des Rentners Markus Wolf als seinem literarischen Interesse am Nachlaß seines Vaters und seines Bruders galt.

Markus Wolfs erstes Buch „Die Troika. Geschichte eines nicht gedrehten Films“ (1989) wertet Dokumente aus „Konis schwarzer Mappe“ aus und erzählt die Geschichte dreier Freunde aus den, für die Familie Wolf prägenden Jahren im Moskauer Exil: Konrad Wolf, Lothar Wloch und Viktor Fischer – mit ergänzenden Texten von Egon Bahr und Hans Modrow. [4] Mit weiteren Buchveröffentlichungen reiht sich der Autor in den folgenden Jahren in eine Erinnerungspublizistik ein, mit der versucht wurde, die SED-Herrschaft zu rechtfertigen und das Mielke-Imperium als „normalen Geheimdienst“ darzustellen, wobei Markus Wolfs Auslandsaufklärung quasi eine friedenssichernde Vorbildrolle zugeschrieben wurde, dessen Chef und seine hauptamtlichen Mitarbeiter, die Anwerbungen im IM-Bereich als „Freunde“ und „Kundschafter des Friedens“ auch nach der Implosion der DDR „Quellenschutz“ genießen sollten. Mit der Veröffentlichung seiner Werke – auch einem Abstecher in die „Geheimnisse der russischen Küche“, [5] stieg das Medieninteresse an dem „progressiv kulturschaffenden“ Autor rasch an und ebbte mit steigender Aufklärungsrate über die SED-Diktatur und insbesondere des MfS in seiner Abwehrrolle nach innen als „Schild und Schwert der Partei“ ab. Markus Wolfs Erfahrungen anläßlich der zentralen SED-gesteuerten Kundgebung am 04.11.1989 auf dem Alexanderplatz, als er beim Versuch, in einer Rede die Mitarbeiter der Staatssicherheit in Schutz zu nehmen, von der Menge ausgebuht und ausgepfiffen wurde, waren für seine politischen Ambitionen eine Zäsur: eine zweite führende Rolle in „seiner DDR“, möglicherweise im Bereich der Kulturpolitik hatten sich mit den Ereignissen 1989/90 als Illusion erwiesen. [6] Nach kurzfristiger Flucht in die UdSSR und Rückkehr nach Deutschland kam es zwischen 1991 und 1998 zu Strafverfahren gegen Markus Wolf: obwohl der Bundesgerichtshof entschieden hatte, daß DDR-Bürger für eine Spionagetätigkeit gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nur begrenzt zur Verantwortung gezogen werden können, bezeichnete Markus Wolf dies als „Siegerjustiz“ und die befristete Inhaftierung als „Kriegsgefangenschaft“ – bis zuletzt fühlte er sich seinem DDR-Fahneneid verpflichtet, indem er keine Namen von Spionen für die HVA des MfS preisgab. Viele Opfer des DDR-Unrechtssystems sehen in der weichen Rechtsprechung gegenüber MfS-Tätern eine Verhöhnung und in der stereotypen Verteidigungsstrategie, man habe „niemandem geschadet“, reinen Zynismus. [7]

Daß bei seiner Urnenbeisetzung in Berlin-Friedrichsfelde fast 2000 Weggefährten und politische Freunde teilgenommen haben, [8] markiert auch den Wendepunkt in Bezug auf das Interesse an der Person von Markus Wolf, über den „das letzte Wort noch nicht gesagt“ sein dürfte. Gesponsert von Unternehmern wie Hans Wall, seinem Schwiegersohn, widmet sich die 1992 gegründete Friedrich-Wolf-Gesellschaft mit Sitz in Oranienburg-Lehnitz als Eigner einer Gedenkstätte dem literarisch-kinematografischen Werk und Nachlaß von Friedrich Wolf, darunter dem dokumentarischen Drama „Professor Mamlock“ (1933, mehrfach verfilmt) und v.a. dem Nachlaß von Konrad Wolf, bekannt als Regisseur der DEFA, Kulturgewerkschaftler auf dem 2. Bitterfelder Kongreß (1964) und Präsident der Akademie der Künste der DDR (1965-1982).

Veröffentlichungen

  • Die Troika. Geschichte eines nichtgedrehten Films. Nach einer Idee von Konrad Wolf. 1. Auflage. Berlin; Weimar: Aufbau-Verlag, 1989, 352 S., ISBN 3-351-01450-3
  • Die Troika. Düsseldorf: Claassen, 1989, 265, [48] S., ISBN 3-546-49839-9 (Lizenz des Aufbau-Verlags, Berlin, Weimar)

Literatur

  • Peter Richter, Klaus Rösler: Wolfs West-Spione. Ein Insider-Report. Berlin: Elefanten Press, 1992, 189 S., ISBN 3-88520-420-7 (Elefanten-Press; 420)

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Netzverweise

  • Erich Mielke (1907–2000), DDR-Politiker, Minister für Staatssicherheit - Wikipedia

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Kurzbiographie zugänglich unter http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/WolfMarkus/index.html.
    Biographien über Markus Wolf u.a. von Hans-Dieter Schütt, Markus Wolf, Vlg. Das Neue Berlin, 2007; Nicole Glocke, Maskerade, Göttingen, MatrixMedia, 2007; Alexander Reichenbach, Chef der Spione, Stuttgart, dva, 1992; Irene Runge, „Ich bin kein Spion“, Berlin, Dietz, 1990. – In Hechingen lebte Markus Wolf vor seiner Einschulung in einer „Freien Schule“ (Stuttgart).
  2. Markus Wolf, Spionagechef im Kalten Krieg, Berlin, Ullstein, 6. Aufl., 2005, 512 S.; ders., Freunde sterben nicht, München, Heyne-Tb, 2004; ders., Die Kunst der Verstellung, Berlin, Schwartzkopf&Schwartzkopf, 1998
  3. SPIEGEL Nr. 36 vom 02.09.1996 - „Troika“ ist auch die Bezeichnung für ein Planspiel um Personen, die im Interesse der Moskauer Führung einen personellen Übergang in der Krise wirken sollten: Manfred von Ardenne, Hans Modrow und Markus Wolf. Dies läßt auch einen realistischen Schluß zu, warum Markus Wolf „bis zum bitteren Ende“ der Sowjetführung gegenüber loyal blieb, Gorbatschows „Perestroika“ und „Glasnost“ als ein übertragbares Konzept für einen „Sozialismus 2000“ ansah, um nach 1990 über Gorbatschow zu urteilen: „Er hat uns einfach verraten!“
  4. Brigitte Zimmermann (SED), Chefredakteurin der DDR-Wochenpost, hat ihre Erinnerungen an das Auftreten von Markus Wolf in der Redaktion am 18.08.1986, die Vereinbarungen über das Vorabdrucksrecht der „Troika“ (ab Nr. 7 vom 17.02.1989) und die daraus erwachsenen Schwierigkeiten mit der Zensur durch das ZK der SED („Kontrollredakteure“) eindrucksvoll niedergeschrieben in der überlieferten „Spurensicherung IV“, 1990, S. 124-130, einzusehen unter http://www.spurensicherung.org/texte/Band4/zimmermann.htm. Ihre Bewertung des Vorgangs: „Wenige Monate später wußten wir, daß der Kampf um die ‚Troika’ letzten Endes kaum mehr war als eine Schlacht unterwegs zum Untergang“. Das Redaktionskollektiv der Spurensicherung IV versteht sich als „die hinsichtlich ihrer Ideale Nichtgewendeten“ (Vw.)
  5. Markus Wolf, Geheimnisse der russischen Küche, Berlin, Eulenspiegel, 2007 – Seine Lesereisen führten ihn u.a. in deutsche und europäische Großstädte (Bsp. Café Dogma, Wien, 1998), wo er auch über frühere (Dienst-)Reisen plauderte.
  6. Einem SPIEGEL-Gespräch (Nr. 28 vom 08.07.1996) mit Wolfgang Leonhardt, einem Schulfreund aus dem Moskauer Exil, ist dessen Idee zu entnehmen, daß er sich habe 1945/49 vorstellen können, daß Markus Wolf „Diplomat, Kulturfunktionär oder Staatssekretär für Literatur und Kunst“ in der DDR (ab 1949) werden könne. Tatsächlich bekleidete Markus Wolf zwischen 1949 und 1951 die Funktion eines 1. Botschaftsrats der DDR in Moskau.
  7. Über die Themenfelder der Recherchen und die hieraus erwachsenen Publikationen informiert die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Kronenstraße 5, 10117 Berlin erreichbar unter http://www.stiftung-aufarbeitung.de bzw. die Dienststelle des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Karl Liebknecht-Straße 31/33, 10178 Berlin, Internetseite unter http://www.bstu.bund.de/.
  8. Aus den Nachrufen „für Mischa“ ragt mit Informationen zur Person der Text von Manfred Wekwerth (Akademie der Künste, Nachfolger von Konrad Wolf, 1982-1991, Mitglied des ZK der SED 1986-1989, IM „Manfred“, 1965 ff., heute: Die LINKE) heraus, der in der Zs. JUNGE WELT vom 27.11.2006 neben anderen Elogen abgedruckt wurde.