Hermann Kesten

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Hermann Kesten (* 28. Januar 1900 in Podwołoczyska, Galizien, Österreich-Ungarn, heute Pidwolotschysk in der Ukraine; † 3. Mai 1996 in Basel) ist der prominenteste Nürnberger Schriftsteller.

Hermann Kesten

Leben und Wirken

Herkunft

Kesten wurde in dem galizischen Städtchen Podwoloczyska geboren und kam erst 1904 mit seiner Familie nach Nürnberg.

Schule und Studium

Er besuchte die Volksschule an der Bismarckstraße, ab 1909 das Melanchthon-Gymnasium, das er 1919 mit dem Abitur abschloß.

Anschließend studierte er in Erlangen, Frankfurt und Rom zunächst Volkswirtschaft und Jura, dann Geschichte, Germanistik und Philosophie. Er arbeitet an einer Dissertation über Heinrich Mann. Als ihm das Manuskript gestohlen wurde, brach er das Studium 1923 ab. [1] Anschließend reiste er durch Europa und Nordafrika.

Schriftsteller und Verlagslektor

1927 zog Kesten nach Berlin, wo er beim Kiepenheuer-Verlag als Cheflektor tätig war und schriftstellerisch arbeitete. Kesten besticht durch einen feuilletonistischen, neusachlichen Stil, seine Themen reichen vom literarischen Porträt („Meine Freunde, die Poeten“) bis zum historischen Roman („Casanova“).

Sein Roman „Joseph sucht die Freiheit“ (1927) wurde 1928 bei der Verleihung des Kleist-Preises ehrenvoll erwähnt. Doch der Hermann Kesten wiederholt zugerechnete Kleist-Preis des Jahres 1928 ging an Anna Seghers.

Seinem ersten Zeit- und Entwicklungsroman folgten die Werke „Ein ausschweifender Mensch“ (1929) „Glückliche Menschen“ (1931) und „Der Scharlatan“ (1932), ironisch-satirische Darstellungen der damaligen Gesellschaft und ihrer sozialen Mißstände und Kämpfe. Er war auch Herausgeber von Anthologien, so der Sammelbände „24 neue deutsche Erzähler“ (1929), „Neue französische Erzähler (1930) und „Novellen deutscher Dichter der Gegenwart“ (1933).

Exkurs: Emigration
Im März 1933 floh Kesten vor den Nazis, zunächst nach Paris und lebte abwechselnd in Paris, Nizza, Sanary-sur-Mer, Amsterdam und Ostende. In diesen Jahren wurde er Mitbegründer des Emigrationsverlages Allert de Lange in Amsterdam, dessen literarische Leitung er bis 1940 innehatte. Er betreute beim Verlag Allert de Lange die deutschen Exilautoren. Nach dem Kriegsausbruch wurde er in den Lagern Colombes und Nevers als „feindlicher Ausländer“ interniert; es gelang ihm jedoch zu fliehen und nach New York zu emigrieren. Er wurde amerikanischer Staatsbürger. [2]

In der Emigration wandte sich der Kesten vorwiegend historischen Romanen zu wie „Ferdinand und Isabella“ und „Ich bin der König“ (1938), dem Roman um Philipp II., und später einem dritten Spanienroman „Um die Krone“ (1952).

Die 1939 herausgekommene Rahmenerzählung „Die Kinder von Gernika“ erschien auch in Frankreich den USA, England, Argentinien, Italien, Holland und Schweden. Sie schildert vor dem Hintergrund des spanischen Büergerkriegs die Schicksale einer baskischen Apothekerfamilie, die stellvertretend für alle steht, deren Leben von den Zerstörungen des Krieges bedroht wird.

Nach 1945 erschienen die Romane „Die Zwillinge von Nürnberg“ und „Die fremden Götter“ (1949), die sich mit Schicksalen während des Dritten Reiches beschäftigen.

Hermann Kesten trat auch als Essayist mit dem Band „Meine Freunde die Poeten“ (1953) hervor. Seiner Vorliebe für das Essayistisch-Biographische entsprangen auch bedeutende Biographien über Kopernikus und Casanova.

Europabesuche

Seit 1949 reiste er wieder nach Europa und besuchte dabei auch Nürnberg. Er weilte meist in Rom, ab 1977 vor allem in Basel bis zu seinem Tod 1996.

Ehrungen

Bereits 1954 würdigte die Stadt Nürnberg ihn mit einem Kulturpreis, 1980 wurde Kesten Ehrenbürger der Stadt Nürnberg.

Jedes Jahr werden ausgesuchte ausländische Journalisten und Autoren als Hermann-Kesten-Stipendiaten in die Stadt Nürnberg geladen. Nach Hermann Kesten wurden auch das von der Stadt Nürnberg betriebene Hermann-Kesten-Kolleg und das Zeitungs-Café Hermann Kesten in der Stadtbibliothek Nürnberg benannt.

Auszeichnungen (Auswahl)

  • 1954 Preis der Stadt Nürnberg
  • 1977 Nelly-Sachs-Preis
  • 1978 Ehrendoktor der Universität Erlangen-Nürnberg
  • 1980 Ehrenbürger der Stadt Nürnberg

Ehrung

  • Hermann-Kesten-Ring, Nürnberg-Thon

Hermann-Kesten-Medaille

Die Hermann-Kesten-Medaille ist ein Preis, der 1985 vom Deutsches PEN-Zentrum der Bundesrepublik gestiftet wurde. Er wurde ab 1994 jährlich verliehen.

Hermann-Kesten-Stipendium

Das Hermann-Kesten-Stipendium ist ein Stipendium der Stadt Nürnberg für Autoren und Journalisten aus den Partnerstädten Nürnbergs.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Die Kinder von Gernika. Roman. Amsterdam: Allert de Lange, 1939, 242 S.
  • The Children of Guernica. A novel. Translated by Geoffrey Dunlop. New York: Alliance Book Corp.; New York: Longmans, Green and Co., 1939, 268 S.
  • Die Kinder von Gernika. Roman. Wiesbaden: Limes-Verlag, 1948, 208 S.
  • Hermann Kesten: Mit Menschen leben. Ein Nürnberger Lesebuch. Hrsg. und mit einem Vorwort versehen von Wolfgang Buhl. Cadolzburg: Ars Vivendi, 1999, 214 S., ISBN 3-89716-088-9 (Anthologie) [In Leben und Werk des Büchner-Preisträgers Hermann Kesten spiegelt sich eindrucksvoll die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Diese Werkauswahl ist ein biographisch wie literarisch faszinierendes Zeitzeugnis. Inhalt: Der alte Dichter, Der Dichter im Cafè, Mit Menschen leben, Nürnberg, Der Auszug aus Ägypten, Johannes Kepler, Der Autor, Dürer, Landschaft Franken, Der Nürnberger Trichter, Brüder! Zur Sonne, zur Freiheit! u.v.m.]

Literatur

  • Für Hermann Kesten. Nürnberger Reden zum 75. Geburtstag. Nürnberg: Stadt Nürnberg, 1975, 30 S. [Enthält die Ansprachen auf dem Geburtstags-Symposion: Gert Kalow, Wolfgang Koeppen (Hermann Kesten, der Freund), Horst Krüger, Wolfgang Weyrauch, Wolfgang Buhl. Vorwort Hermann Glaser]
  • Walter Jens (Hrsg.): Kindlers Neues Literaturlexikon, Band 9, München: Kindler, 1988, S. 326 f.
  • Anja Herrmann: Hermann Kesten als Journalist. Universität Erlangen-Nürnberg, Magisterarbeit, 1994
  • Ulf von Dewitz (Hrsg.): Unter uns: Hermann Kesten. Gedenkveranstaltung der Stadt Nürnberg am 14. Juli 1996. Nürnberg: Bildungszentrum der Stadt Nürnberg, 1997, 38 S.(BZ-Materialien; Band 4)
  • Wolfgang Buhl und Ulf von Dewitz (Hrsg.): „Ich hatte Glück mit Menschen“. Zum 100. Geburtstag des Dichters Hermann Kesten; Texte von ihm und über ihn. Stadtbibliothek Nürnberg. Nürnberg: Edelmann, 2000, 191 S., ISBN 3-87191-279-4 (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg; Band 24)

Querverweise

Netzverweise

  • Norbert Sedghi: Hermann Kesten: Stationen - im Netz
  • Harald Geiger: Hermann Kesten. 2001 - im Netz

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. „Ich habe eine Doktorarbeit über Heinrich Mann geschrieben, habe aber nie meinen Doktor erworben, da mir diese Doktorarbeit zusammen mit einem Handkoffer mit Hemden etc. gestohlen wurde.“ In: Wolfgang Buhl, Ulf von Dewitz (Hrsg.): „Ich hatte Glück mit den Menschen“. Zum 100. Geburtstag des Dichters Hermann Kesten. Texte von ihm und über ihn. Nürnberg: Stadtbibliothek Nürnberg, 2000, S. 41
  2. Peter Czoik: Hermann Kesten. In: Literaturblog Bayern vom 24. Januar 2011 - literaturportal-bayern.de