„Wahrung“ und „Förderung“ der Sprache

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Der Artikel „Wahrung“ und „Förderung“ der Sprache kritisiert eine sprachpolitische Verdrängung des Begriffes „Wahrung der Sprache“ zugunsten des Begriffes „Förderung der Sprache“.

Vorwort

Von Professor Dr. Christian Gizewski, TU Berlin

Die intensive politische und ideelle Arbeit nicht nur eines, sondern gleich aller gegen die sog. „Rechtschreibreform“ agierenden Sprachpflegevereine blieb in dem von der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ (GfdS) und dem „Institut für deutsche Sprache“ (IDS) herausgegebenen Handbuch „Förderung der Sprachkultur in Deutschland. Sprachvereine im deutschen Sprachraum“ (1999) unbeachtet. Warum?

Der folgende Beitrag sieht den wesentlichen Grund in einer von den Herausgebern des Handbuchs für gut befundenen sprachpolitisch motivierten Verdrängung des Begriffs „Bewahrung“ durch den einer „Förderung der Sprachkultur“ und schildert die Hintergründe dieses nur auf den ersten Blick unwichtig erscheinenden Begriffsproblems. Er zeigt ferner, wie dieses Verfahren einer Begriffsverdrängung bei der Änderung der Satzung eines Sprachpflegevereins, des „Vereins zur Wahrung der deutschen Sprache“ angewandt, der Verdrängung der Aktivitäten der „Reform“-Gegner aus der Programmatik des Vereins dienen soll.

Der Autor ist Vorsitzender des „Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V.“ (VRS), Max-Reger-Straße 99, 90571 Schwaig bei Nürnberg, Tel.: 0911-500825, Manfred@Riebe.de - http://www.vrs-ev.de/vorstand.php#riebe -. Sein Beitrag ist die Ausarbeitung einer im Juli 2001 im Forum „Deutsche Sprachwelt“ - http://www.deutsche-sprachwelt.de/ -, Themenbereich: Rechtschreibung, Diskussionsthema: Zensierte Berichte über Sprachvereine, veröffentlichten Rezension zu: Silke Wiechers: „Wir sind das Sprachvolk“ - aktuelle Bestrebungen von Sprachvereinen und -initiativen. In: Muttersprache, Vierteljahresschrift für deutsche Sprache, Hrsg.: Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), Wiesbaden, Jahrgang 111, Heft 2, Juni 2001, S. 147 - 162.

Die hier veröffentlichte Fassung bezieht auch die unbegründet selektive Darstellung des von der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ (GfdS) und dem „Institut für Deutsche Sprache“ (IDS) herausgegebenen Handbuchs „Förderung der Sprachkultur in Deutschland. Sprachvereine im deutschen Sprachraum“ (1999) in die Kritik ein.

Was bedeuten „Wahrung“ und „Förderung“ der Sprache und der Sprachkultur?

— Kritik einer sprachpolitischen Begriffsverdrängung — Zur Sprachpolitik der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), des Instituts für deutsche Sprache (IDS) sowie des Vereins Deutsche Sprache (VDS) [1]
Von Manfred Riebe

Was ist „Förderung der Sprachkultur“?

Der Titel eines Handbuches sollte erklärt und begründet werden, damit der Leser weiß, was er erwarten darf und was nicht, aber auch damit er Hinweise darauf erhält, ob die Konzeption eines Werkes stimmig und zweckmäßig ist. Was Förderung „sprachlicher Kultur“ bzw. „Sprachkultur“ ist, läßt sich dem von der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ (GfdS) und dem „Institut für Deutsche Sprache“ (IDS) herausgegebenen Handbuch „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“ (Karin M. Frank-Cyrus, Anja Steinhauer und Annette Trabold: Förderung der Sprachkultur in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme. Bearb. von Karin M. Frank-Cyrus, Anja Steinhauer und Annette Trabold unter Mitarbeit von Silke Wiechers und Silke Beckmann. XIII/ 295 S. - Wiesbaden: GfdS, 1999) jedoch leider nur indirekt entnehmen. Es enthält lediglich durch Stichwörter - z.B. Sprachpflege, Sprachkritik, gesprochene und geschriebene Sprache, sprachwissenschaftliche Forschung, Lexikographie, Leseförderung, Sprachdidaktik, Normendiskussion, Sprachpsychologie usw. (S. XI f.) - einige Hinweise, aus denen man die Absicht der Herausgeber und Autoren entnehmen kann.

Dabei gewinnt man den Eindruck, daß die „Rechtschreibung“ als Problem und als Aufgabe der Sprachkultur kaum Beachtung findet und sich auf die Aufzählung von Stichwörtern wie „Lexikographie“ oder „Normendiskussion“ beschränkt, obwohl es sich um ein handfestes und aktuelles Problem und Thema der öffentlichen Diskussion über die Kultur der deutschen Sprache handelt. Die Mehrheit der in den letzten Jahren immer wieder empirisch befragten deutschsprachigen Bevölkerung lehnt die „neue Rechtschreibung“ ab - http://www.vrs-ev.de/demoskop.php -, zahlreiche Wissenschaftler, Schriftsteller, etliche sprachnahe Institutionen, viele Zeitungen und Zeitschriften ignorieren und kritisieren sie (vgl. die Liste der reformfreien Zeitungen und Zeitschriften - http://www.gutes-deutsch.de/ ). Am 1. August 2000 kehrte die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem spektakulären Schritt zu der „alten“ Rechtschreibung zurück - http://www.vrs-ev.de/pm130903.php -, mit der sinngemäßen Begründung, die „neue“ sei in wichtigen Zügen kulturlos, unnötig traditionswidrig und unzweckmäßig für diejenigen, die professionell mit der Sprache arbeiten. Eine Anzahl sprachpädagogischer Fachgelehrter stellt ferner den behaupteten Sinn der sog. Rechtschreibreform nach wie vor grundsätzlich und empirisch in Frage - http://www.vrs-ev.de/resolutionen.php#professoren -.

Die Rechtschreibung ist zweifellos ein öffentlich umstrittenes Problem. Darf sie deshalb in einem Handbuch, das den Titel „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“ trägt, als Thema faktisch ausgespart bleiben? Oder müssen nicht vielmehr die Positionen, die die „Streitparteien“ einnehmen, in einem Handbuch dieser Art genau beschrieben werden? Müssen nicht Persönlichkeiten und Vereine, die in einem solchen Streit hervortreten, angemessen dargestellt werden oder gar Raum zur Selbstdarstellung erhalten, selbst wenn sich Herausgeber und Autoren des Handbuchs entschieden haben, ihr Werk in sog. „neuer Rechtschreibung“ vorzulegen?

Es gibt eine in der heutigen „politischen und medialen Öffentlichkeit“ immer unangenehmer - und keineswegs nur in Rechtschreibungsfragen - auffallende Art, aus irgendwelchen Gründen „intolerable“ Themen durch koordiniertes Verschweigen als nicht vorhanden zu fingieren und insoweit das nicht ausreichend vorinformierte, aber an Streitständen durchaus interessierte Publikum fehlzuinformieren, ja unter Umständen sogar für dumm zu verkaufen. Diesen Vorwurf mache ich auch den Herausgebern des Handbuches (nicht seinen Bearbeitern), die als staatlich besonders geförderte Vereine eigentlich die Aufgabe gehabt hätten, dafür Sorge zu tragen, daß im Interesse des Leserpublikums offenkundig aktuelle sprachpolitische Kontroversen neutral, sachlich angemessen und ausreichend umfassend dargestellt werden.

Sie haben sich statt dessen, wie ich zeigen möchte, jedoch einer Technik sophistischer Argumentation bedient, um die thematisch in diesem Falle offenkundig unzulässige Weglassung dennoch als sachlich gerechtfertigt erscheinen zu lassen: der der indirekten, verdeckten Begriffsvertauschung und - verdrängung. Der für die Stoffauswahl maßgebliche Begriff der „Förderung der Sprachkultur“ wurde so gefaßt, daß aus ihm das Element der „Wahrung“ bewährter Tradition, das zumindest dem Begriff der „Sprachpflege“ gewöhnlich innewohnt, in durchaus ungewöhnlicher Weise entfernt wurde, nämlich faktisch stillschweigend, d. h. nicht explizit. Ein solches Verfahren nennt man mit einem guten alten deutschen Wort auch „unredlich“.

Ein solches Verfahren hat, wie ich weiter zeigen möchte, politische Methode und Konsequenzen, die über den Bereich des Handbuchs hinausgehen und die generelle Auseinandersetzung über sprachpolitische Fragen zumindest in der gegenwärtigen Bundesrepublik betreffen.

Der Begriff „Förderung“ im Handbuch „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“

Frau Dr. Annette Trabold vom Institut für deutsche Sprache (IDS), Mannheim, schrieb am 26. November 1998 an den „Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. - Initiative gegen die Rechtschreibreform“ (VRS), sie würde den VRS gern in das Handbuch „Förderung der sprachlichen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland“ in den „Überblick über die Institutionen“ aufnehmen und bat um Informationen. Der Vorsitzende des VRS gab ihr am 6. Dezember 1998 umfangreiche Auskunft über den VRS. Am 26. Januar 1999 schrieb außerdem ein Mitglied und freie Mitarbeiterin der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), Wiesbaden, Silke Wiechers, M.A., sie arbeite an einer Untersuchung der Sprachpflegeorganisationen im deutschsprachigen Raum und bat ebenfalls um Auskunft über den VRS. Der Vorsitzende beantwortete auch ihre Fragen. Ein deutliches und gewiß auch sachlich begründetes Interesse der Autorinnen an der Arbeit dieses Sprachvereins war also zunächst gegeben.

Im Vorwort des erst im Juni 2001 erschienenen Aufsatzes von Silke Wiechers heißt es sogar erläuternd:

„(...) mit diesem Handbuch soll das Bewusstsein der Öffentlichkeit für Sprache (...) geschärft werden. Das Augenmerk wurde besonders auf Aktivitäten gerichtet, die zu einer Steigerung des Sprachbewusstseins führen, die Sprachprobleme abbauen helfen und die das Gespräch zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen fördern. (...) Neue Einrichtungen wurden dazu aufgefordert, (...) ihre Tätigkeiten zu beschreiben.“ (Silke Wiechers: „Wir sind das Sprachvolk“ – aktuelle Bestrebungen von Sprachvereinen und –initiativen. In: Muttersprache, Vierteljahresschrift für deutsche Sprache, Hrsg.: Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), Wiesbaden, Jahrgang 111, Heft 2, Juni 2001, S. 147 – 162, hier: S. 147).

Dennoch, obwohl er alle diese Bedingungen erfüllte, wurde der „Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS) - Initiative gegen die Rechtschreibreform“ – nicht in das Handbuch aufgenommen. Warum?

Ich behaupte,

weil der VRS Volksinitiativen, Volksbegehren und einen Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform unterstützte (vgl. „Volksentscheid in Schleswig-Holstein - Das Volk als Souverän und Untertan: Im Namen des Volkes gegen das Volk!“ - http://www.vrs-ev.de/pm270903.php ),

bei den Anhörungen der „Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung“ im „IDS“ (Mannheim) und des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe über die Rechtschreibreform Herrn Professor Theodor Ickler (Erlangen), einen streitbaren und dennoch mit dem Deutschen Sprachpreis 2001 geehrten Gegner der sog. „Rechtschreibreform“ - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=618#618 -, als Gutachter entsandte (vgl. Anhörung durch die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung am 23. Januar 1998 - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1093#1093 -),

und insoweit mehrfach mit den sprachpolitischen Linien der Herausgeber des Handbuches in Sachen „Rechtschreibreform“ diametral zusammenstieß. Die Herausgeber des Handbuchs lagen und liegen insoweit auf der Linie des „Beirates für deutsche Rechtschreibung“ der Kultusministerkonferenz, die den VRS ebenfalls konsequent zu übergehen pflegt.

Mit anderen Worten: Der VRS gehört nicht zum derzeitigen „rechtschreibreformunterstützenden“ sprachpolitischen Establishment der Bundesrepublik, sondern vielmehr zu einer Art sprachpolitischer Fundamentalopposition, die sich etwa in der neuen Sprachzeitung „DEUTSCHE SPRACHWELT“ eine neuartige, von amtlicher Finanzierung unabhängige Plattform gegeben hat.

Die Kritik geht aber über die Belange des VRS hinaus: Die Handbuch-Herausgeber „interessierten sich“ überhaupt nicht für die Organisationen, wortführenden Persönlichkeiten und Positionen der „Gegner der Rechtschreibreform“. Zwar heißt es im Handbuch an irgendeiner Stelle (Eintrag zum „IDS“; S. 173) mehr oder weniger zufällig: „Dass eine gute Basis für eine ... Sensibilisierung [in Fragen der Sprachkultur; M. Riebe] durchaus vorhanden ist, zeigt etwa das breite öffentliche Interesse an Fragen der Rechtschreibung und des Fremdwortgebrauchs (Anglizismen)“. Damit sind also auch die vielen Volksinitiativen und Gerichtsverfahren gegen die sog „Rechtschreibreform“ benannt und als sprachpolitisch beachtliche Phänomene anerkannt. Dennoch wurde im Handbuch die gesamte sprachwissenschaftliche Kritik an der Rechtschreibreform - http://www.vrs-ev.de/literatur.php#rsr - unterschlagen.

Welche Beobachtungen und Fakten belegen diese Behauptungen?

a) Im Handbuch enthalten sind alle Institutionen, die die Rechtschreibreform fördern:

  1. die Bertelsmann-Stiftung,
  2. die Dudenredaktion, Mannheim,
  3. die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), Wiesbaden,
  4. das Institut für Deutsche Sprache (IDS), Mannheim,
  5. die Kultusministerkonferenz und
  6. die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung beim IDS Mannheim oder
  7. auch solche Vereine, die die „Rechtschreibfrage“ intern ausgespart haben, wie der Verein zur Wahrung der deutschen Sprache (VWDS; nach umstrittener Satzungsänderung umbenannt in VDS), Dortmund; zu den Mitgliedern des VWDS/VDS gehören auch die prominenten „Rechtschreibreformer“ Gerhard Augst und Hermann Zabel. Ferner sind im Literaturverzeichnis des Handbuchs die Rechtschreibreformer Rudolf Hoberg, Dieter Nerius und Hermann Zabel aufgeführt.

b) Im Handbuch fehlen dagegen fast alle rechtschreibreformkritischen Vereine:

  1. die Arbeitsgemeinschaft für deutsche Sprache, Norderstedt,
  2. der Arbeitskreis Unsere Sprache (ARKUS), Starnberg,
  3. der Berliner Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (BVR),
  4. der Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS) - Initiative gegen die Rechtschreibreform, Schwaig bei Nürnberg, http://www.vrs-ev.de
  5. der Verein „Lebendige deutsche Sprache e.V.“ (vorher: Verein „Rechtschreibreform stopp!“), Hamburg, http://www.lebendigesprache.de , sowie
  6. die vielen Volksinitiativen gegen die Rechtschreibreform.

Aufgeführt sind lediglich die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt, und der Bund für deutsche Schrift und Sprache (BfdS), Ahlhorn, aber ohne die doch durchaus wichtige Angabe, daß sie gegen die Rechtschreibreform eintreten. Ferner ist im Schlagwortregister des Handbuchs nicht einmal das Wort „Rechtschreibung“ enthalten. Schließlich fehlt im Literaturverzeichnis des Handbuchs die gesamte Literatur der sprachwissenschaftlichen Gegner der Rechtschreibreform: u.a. Peter Eisenberg, Helmut Glück, Theodor Ickler, Horst Haider Munske, Christian Stetter, Werner H. Veith und Jean-Marie Zemb.

Um die Weglassungen des Handbuchs zu begründen, schreibt dessen Koautorin Silke Wiechers:

„Bei den Recherchen für die Neuauflage des Handbuchs »Förderung der Sprachkultur in Deutschland« (GfdS/IDS, 1999) fiel auf, dass (...) einige private Sprachpflegevereinigungen im deutschsprachigen Raum gegründet wurden. (...) In den Handbucheintragungen konnten nur größere Vereine in Deutschland berücksichtigt werden, kleinere Initiativen sowie Vereine in Österreich und der Schweiz hingegen nicht.“ (Wiechers: „Wir sind das Sprachvolk“, S. 147).

Aber diese Begründung ist nicht überzeugend. Bei der Auswahl der aufzuführenden Institutionen ist ein inkonsequenter Kriteriengebrauch offenkundig.

Einerseits ist es selbstverständlich, daß neugegründete Vereine in der Regel nicht die Größe etablierter, staatlich finanzierter Sprachvereine haben, und das Kriterium der Mitgliedschaftsgröße ist deswegen wenig tauglich, was die Mitteilung eines substantiellen, aktuellen Bildes von der inhaltlichen öffentlichen Diskussion über Sprachfragen betrifft.

Doch selbst bei diesem unzweckmäßigen, ja untauglichen Kriterium der Mitgliederzahl eines Vereins wurde nicht mit gleichem Maß gemessen. Sonst hätte man z.B. die „Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung e.V.“, Darmstadt, und andere Organisationen ebenfalls nicht aufnehmen dürfen.

Die „Akademie“ etwa hat wesentlich weniger Mitglieder als der VRS; ihr gehören nur 170 Personen als Mitglieder an, davon zwei als Ehrenmitglieder, 95 als ordentliche und 73 lediglich als korrespondierende Mitglieder (http://www.deutscheakademie.de/).

Die „Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung beim IDS Mannheim“ etwa gehört mit 12 Mitgliedern wohl zu den kleinsten der aufgeführten Institutionen, wenn man einmal von den Stiftungen absieht, deren Personal noch geringer ist.

Seltsam mutet auch die Aufnahme der „Deutschen Gesellschaft zur Rettung des Konjunktivs“, Nürnberg, in das Handbuch an. Sie wurde etwa 1998/1999 gegründet, hat kein Mitgliederverzeichnis und ist kein eingetragener Verein. Sogar die wenigen Mitglieder sind der Ansicht, daß die Gesellschaft zwar eine witzige Idee, aber keine seriöse Sprachgesellschaft sei (Handbuch, S. 64 f.).

Bei dieser Inkonsequenz erscheint es völlig unbegründet, warum die „Gegner der Rechtschreibreform“ so systematisch ausgespart wurden. Nur eine Begründung ist denkbar: Die Bekämpfung der sog. „Rechtschreibreform“ ist nach Auffassung der Herausgeber kein Problem der „Förderung der Sprachkultur“. Aber dies ist nirgendwo im Handbuch deutlich gesagt und außerdem sachlich unbegründet und auch keineswegs etwa wissenschaftlich sinnvoll.

Daß und wie man in dieser Frage sachgerecht verfahren könnte, zeigt eine Bemerkung Professor Theodor Icklers (in: http://www.deutsche-sprachwelt.de/, Forum, 01.07.2001). Auf die ihm gestellte Frage: „Wieviele Sprachvereine gibt es eigentlich?“ antwortete er wie folgt:

„Eigentlich sollten diese Vereine, verdammt noch mal, im Handbuch „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“ verzeichnet sein. Aber die Herausgeber, das IDS und die GfdS, haben aus lauter Haß auf die Reformgegner den VRS ausgelassen. Dieses Machwerk wurde von der Robert-Bosch-Stiftung finanziert, der man vielleicht mal ein Briefchen schicken sollte.

Trotz der Bemühungen von Manfred Riebe ist der VRS auch in der bearbeiteten Neuauflage des Handbuchs „Förderung der Sprachkultur“ nicht enthalten. Da Unkenntnis ausscheidet, muß dahinter eine böse Absicht vermutet werden. Das stimmt auch zu unseren mehrjährigen Erfahrungen mit Frau Trabold (IDS) und Frau Frank-Eichhoff (GfdS). Daß im Handbuch die Bertelsmann Stiftung und ähnliches reich bedacht sind, wundert wohl niemanden. Auch die Deutsche Gesellschaft zur Rettung des Konjunktivs (Nürnberg) scheint wichtig genug zu sein, ja sogar die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung! Nur wer gegen die Rechtschreibreform kämpft, tut nichts für die Sprachkultur ...“ .

Man vergleiche damit einmal eine Bemerkung Gerhard Stickels, des Direktors des IDS. Er behauptete in einer Pressemitteilung vom August 2000, Rechtschreibung habe „für sich keine Bedeutung“. Die Diskussion über die Rechtschreibreform sei überflüssig und störend . Vgl. http://www.ids-mannheim.de/aktuell/pr000804.html -.

Diese Bemerkung steht nicht nur für ein in den staatlich finanzierten Sprachvereinen GfdS und IDS bestehendes „Desinteresse“ an den Argumenten der „Rechtschreibreformgegner“, sondern vielmehr für die dort dominierende Meinung, zur Förderung der Sprachkultur gehöre auch die Förderung der „Rechtschreibreform“ und keineswegs die Wahrung der herkömmlichen Rechtschreibung, schon gar nicht aber ein Kampf gegen die sog. Rechtschreibreform.

Zusammenfassend kann man festhalten, daß das „Handbuch“ sein angegebenes Ziel einer umfassenden Information über „die Förderung der Sprachkultur“, was jedenfalls die Information über die wichtigen aktuellen Auseinandersetzungen um die sog. „Rechtschreibreform“ betrifft, sachlich grundlos, aber politisch absichtsvoll und sogar absichtsvoll irreführend nicht erfüllt.

„Wir sind das Sprachvolk“, ein lückenhafter Bericht über die Ziele neuer Sprachvereine

Auch ein an sich informativer Artikel wie der von Silke Wiechers: „Wir sind das Sprachvolk“ – aktuelle Bestrebungen von Sprachvereinen und –initiativen. In: Muttersprache, GfdS, Heft 2, Juni 2001, behandelt das Thema „Rechtschreibreform“ nur ganz am Rande, obwohl doch die Autorin gewußt hat oder hat wissen können, daß die „Rechtschreibreform“ nicht nur im VWDS, sondern in allen Sprachvereinen bis heute ein Hauptkonfliktpunkt ist, wie z.B. auch ein Streit in der GfdS beispielhaft zeigt (Theodor Ickler: Regelungsgewalt, Hintergründe der Rechtschreibreform, St. Goar: Leibniz Verlag, 2001, S. 73 f.; vgl. VRS: Professoren treten aus der GfdS aus. In: http://www.deutsche-sprachwelt.de/, Forum, 08.07.2001).

Die Ausführungen der Autorin in diesem Artikel lassen jedoch erkennen, daß die GfdS und das IDS jenen Teil des „Sprachvolkes“, der in Volksinitiativen und Volksbegehren usw. kompromißlos gegen die Rechtschreibreform opponierte, aus dem von GfdS und IDS herausgegebenen Handbuch ausgesperrt haben. Nach Frau Wiechers handelt es sich um folgende Sprachvereine:

  • die Arbeitsgemeinschaft für deutsche Sprache, Norderstedt,
  • den Arbeitskreis Unsere Sprache (ARKUS), Starnberg,
  • den Verein „Muttersprache“ Wien,
  • den Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS) - Initiative gegen die Rechtschreibreform, Schwaig bei Nürnberg,
  • Verein für Sprachpflege (VfS), Erlangen.

Der Bund für deutsche Schrift und Sprache (BfdS), Ahlhorn und der Verein zur Wahrung der deutschen Sprache (VWDS; VDS nach noch im Rechtsstreit befindlicher Satzungsänderung) wurden dagegen in das Handbuch aufgenommen. Die Gründe dafür gibt sie nicht an; sie lassen sich nur in einem gewissen Opportunismus dieser Vereine in Sachen „Rechtschreibreform“ vermuten.

Ferner berichtet Frau Wiechers auch über die Broschüre „Engleutsch“ und die neue Sprachzeitung DEUTSCHE SPRACHWELT. Sie erwähnt allerdings nicht, daß die DEUTSCHE SPRACHWELT als Plattform für den Kampf gegen die Rechtschreibreform geschaffen wurde und in herkömmlicher Rechtschreibung erscheint.

In ihrer „Bestandsaufnahme“ fehlen außerdem folgende rechtschreibreformkritischen Vereine:

der Berliner Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (BVR), der Verein „Lebendige deutsche Sprache e.V.“ (vorher: Verein „Rechtschreibreform stopp!“), Hamburg, sowie die vielen Volksinitiativen gegen die Rechtschreibreform.

Aufgeführt ist dort lediglich der Bund für deutsche Schrift und Sprache (BfdS), Ahlhorn, aber ohne Angabe, daß er gegen die Rechtschreibreform eintritt. Im Literaturverzeichnis fehlen ebenfalls alle kritischen sprachwissenschaftlichen Veröffentlichungen über die Rechtschreibreform.

Nicht richtig ist ferner die Beschreibung des „Netzwerks Deutsche Sprache“. Hier handelt es sich um eine Initiative des „Vereins zur Wahrung der deutschen Sprache“ (VWDS), heute Verein Deutsche Sprache (VDS). Der VWDS kämpft als angeblicher Ein-Punkt-Verein nur gegen Anglizismen. Dadurch fördert er indirekt, aber absichtlich und völlig unnötig die sog. „Rechtschreibreform“. Die „Reformer“ verfolgen wie in diesem Verein, wie es scheint, generell die Taktik, Schlüsselpositionen anderer Sprachvereine nach Möglichkeit mit ihren Leuten zu besetzen. Aus diesem Grund haben sich der „Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V.“ (VRS) und andere Vereine von diesem Netzwerk ferngehalten. Theodor Ickler hat völlig recht, wenn er in der WELT schreibt, angesichts der gravierenden Rechtschreibreformproblematik und ihrer Bedeutung für die gesamte Sprachentwicklung wirke

„... die künstlich angefachte Diskussion über Anglizismen und Sprachgesetze [wie ein] durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Nicht zufällig sind es gerade Reformbetreiber, die am lautesten über den Sprachverfall klagen ...“ (Theodor Ickler: Die Rechtschreibreform ist am Ende. In: DIE WELT, 29.06.2001)

Das Bild in sich homogener, konfliktfreier Sprachvereine, das Frau Wiechers vermittelt, führt jedenfalls den Leser faktisch irre. Eine umfassende, objektive Berichterstattung über die Haltung der aufgeführten Sprachvereine zur Rechtschreibreform hätte sie zu der Feststellung einer mehrheitlichen Reformkritik in den Sprachvereinen führen müssen.

Offenbar unterlag dieses Thema einem Tabu der Herausgeberseite. Es wurde von Frau Wiechers in ihrem Artikel vermutlich deshalb nur dort erwähnt, wo es sich nicht ganz vermeiden ließ. Es ist zu befürchten, daß ihr Status als freie Mitarbeiterin der GfDS der Autorin ein anderes Vorgehen nicht erlaubte. Ich halte es bei dieser Vermutung für durchaus wichtig, daß Vorsitzender der GfdS das Mitglied der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, Professor Rudolf Hoberg, ist.

Die Tilgung des Wortes „Wahrung“ im Vereinsnamen des VWDS/VDS und die Aufnahme des Begriffes „fördern“ in dessen Satzung

Das IDS und die GfdS haben eine gewisse Bedeutung in der sprachpolitischen Diskussion, die andere sprachpolitisch agierende Vereine durchaus motivieren kann, sich nicht nur nach deren Handbüchern, sondern auch nach ihrem Wohlwollen zu richten. Dabei geht es nicht nur um die Berücksichtigung in öffentlich geförderten und relativ weit verbreiteten Darstellungen wie dem „Handbuch“. Wichtiger ist, daß das Vorschlagsrecht für fünf Mitglieder der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung beim IDS liegt und für ein Mitglied bei der GfdS (Handbuch, S. 284).

Ein Fall eines solchen Einflusses ist auch bei der vor einem Jahr beschlossenen, wenn auch im Rechtsstreit befindlichen Änderung des Vereinsnamen des „Vereins zur Wahrung der deutschen Sprache“ (VWDS), Dortmund, zu vermuten. Er soll künftig unter Tilgung des Wortes „Wahrung“ zu einem „Verein Deutsche Sprache“ (VDS) werden.

„Wahrung“ - auch hier scheint es zunächst um nichts weiter als um irgendein Wort zu gehen, das man auch weglassen oder gegen ein anderes, irgendwie ähnliches vertauschen kann. In Wirklichkeit geht es jedoch um politische Orientierung und Zielbestimmung bzw. um deren verdeckt vorgenommene wichtige Veränderung.

Das Wort und das Ziel einer „Wahrung“ findet sich - noch vor einigen Jahren ganz selbstverständlich - in Artikel III der Wiener Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung vom 1. Juli 1996: „Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin.“ (vgl. Handbuch „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“, S. 283). Auch in § 1 der bisherigen Satzung des VWDS findet sich das Wort: „Der Verein heißt Verein zur Wahrung der deutschen Sprache.“ Schon wegen der Querverbindung zur ursprünglich festgeschriebenen Aufgabe der „Wahrung einheitlicher Rechtschreibverhältnisse“ in Deutschland ist es von erheblicher Signalwirkung, wenn man das Wort „Wahrung“ im Namen und in der Satzung eines Sprachpflegevereins wie des VWDS tilgen will. Es fragt sich, zugunsten welcher anderen oder neueren Ziele. Diese finden sich, das zeigt die in Gang gesetzte Satzungsänderung, in dem mehrdeutigen Worte „Förderung“ eher verborgen als erklärt.

Doch läßt das Protokoll der Mitgliederversammlung des VWDS vom 24. November 1999 in Hannover die Bedeutung des Begriffes „Förderung“ klarer erkennen. Der Vorsitzende des Vereins, Professor Walter Krämer, begründete die angestrebte Änderung des Vereinsnamens für die Öffentlichkeit so: Zum einen verspreche man sich bessere Förderungsmöglichkeiten, da viele Geldgeber vom alten Namen abgeschreckt worden wären. Zum anderen enge der Begriff „Wahrung“ das Arbeitsfeld des Vereins zu sehr ein, der ja auch eine Entwicklung vorantreiben wolle. Zudem sei das Wort „Wahrung“ nicht eindeutig positiv besetzt. Die meisten Spender würden, trotz ihrer Spendenbereitschaft für das Anliegen des VWDS, durch den Begriff „Wahrung“ im Namen des Vereins irritiert. Sie würden ihre Spenden nur dann leisten, wenn der Verein einen „moderneren“ und „neutraleren“ Namen annehme .

Die vereinsinternen Gegner einer Namensänderung argumentierten in einem schriftlichen Alternativantrag schon einige Wochen vor der Mitgliederversammlung vom 15. April 2000: „Das kann nur bedeuten, daß das erklärte und im Namen dokumentierte Vereinsziel dem Interesse am Geld der Spender und damit deren Interesse an einer Neutralisierung des Vereins bis hin zu einer politisch korrekten Beliebigkeit geopfert würde. Man will das Anliegen des Vereins fördern, indem man es (ungewollt) verrät.“ Dieser unerwünschte Alternativantrag wurde aber vom Vorstand unterdrückt, d.h. auf der Mitgliederversammlung nicht zur Diskussion gestellt.

Es gelang wohl aus diesem Grunde dem Vorstand, für die Änderung des bisherigen § 2 der Satzung des VWDS („Der Verein soll dazu beitragen, daß die deutsche Sprache als selbständige Kultursprache erhalten bleibt.“) in eine neue Fassung („Der Verein verfolgt das Ziel, die deutsche Sprache als eigenständige Kultursprache zu erhalten und zu fördern.“) eine Mehrheit in der Mitgliederversammlung vom 15. April 2000 zu erreichen. Ob dies Verfahren im Hinblick auf die vereinsrechtlichen Vorschriften des BGB (§ 33, Abs. 1, S. 2) zulässig war, wird gegenwärtig zwar in zweiter Instanz gerichtlich geklärt, doch nutzt der VWDS-Vorstand zumindest zeitweilig den normativen Schein des Faktischen; er geht natürlich von einer Rechtmäßigkeit der Beschlußfassung aus.

Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Das Wort „fördern“ wurde schon zuvor in die „Leitlinien“ des VWDS aufgenommen. Das ist im Zusammenhang mit einer Umfrage des „Instituts für Deutsche Sprache“ (IDS), Mannheim, für die Aufnahme aller neuen Sprachvereine in das - oben erörterte - Handbuch „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“ im November 1998 zu sehen. Ursprünglich hieß der VWDS „Verein zur Rettung der deutschen Sprache“. Da das Wort „Förderung“ nicht in Namen oder Satzung des VWDS enthalten war, formulierte der Vorstand des VWDS - ohne Befragung der Mitglieder des Vereins - sogenannte „Leitlinien“ und nahm darin die folgenden neuen Ziele auf: „Wahrung unserer nationalen Identität durch Förderung unserer eigenen Nationalsprache“ und „Pflege und Weiterentwicklung unseres eigenen sprachlich-kulturellen Erbes“ (Handbuch „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“, S. 266).

Als die Betonung der „eigenen nationalen Identität“ in Presseberichten als politisch nicht ausreichend korrekt empfunden wurde, erfolgte mit Rücksicht darauf eine erneute Änderung der „Leitlinien“ im November 1999; dort hieß es nun in einem unklaren oder gar zur bisherigen Zielsetzung widersprüchlichen Plural: „Wahrung der nationalen Identitäten durch Förderung der eigenen Nationalsprachen“. Nach weiterer Änderung heißt es heute noch unklarer: „Wahrung der nationalen Eigenarten durch Förderung der Landessprachen“. Der Vorstand gab dem VWDS/VDS außerdem - wieder ohne Beteiligung der Mitglieder - den Untertitel „Bürger für die Erhaltung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas“.

Zunächst ergibt sich daraus, daß der VWDS-Vorstand außerordentlich anpassungsbereit war und ist, was eine - vereinsrechtlich problematische - Umformulierung wesentlicher Vereinsziele mit Rücksicht auf verschiedentlich erfahrene „öffentliche Resonanz“ bzw. „Kritik“ an diesen betrifft. Interessant ist in diesem Zusammenhang möglicherweise die Mitteilung, daß die während der Gründungsphase des VWDS im Internet veröffentlichten Ziele einer Rechtsprüfung bei der Eintragung des Vereins möglicherweise nicht standgehalten hätten (Martina Eckert, nach: Wiechers: „Wir sind das Sprachvolk“, S. 155, Fn 5). Es mag sein, daß der Verein in dieser Beziehung immer wieder einmal irgendeinem äußeren Druck ausgesetzt war, dem er flexibel nachzugeben sich bemühte. Doch ist das eine schwer verifizierbare Vermutung.

Andererseits war jedoch bei aller problematischen Flexibilität jedenfalls bis zum Jahre 2000 eindeutig „Sprachwahrung“ oder gar „Sprachrettung“ Vereinsziel. Was darin enthalten war, ging und geht über ein Ein-Punkt-Programm erheblich hinaus, das dem Verein im Handbuch „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“ ( S.266) als gegenwärtig maßgebliches Ziel unterstellt wird. Es geht nicht nur um die Frontstellung gegen „die Anglizismen im Gegenwartsdeutsch“, sondern auch etwa - und sogar besonders - um die Erhaltung sinnvoller schriftsprachlicher Tradition.

Mit der beabsichtigten Namensänderung, also dem Wegstreichen des Wortes „Wahrung“ und einer korrespondierenden Ersetzung des Vereinszwecks „Wahrung der deutschen Sprache“ durch den einer „Förderung der deutschen Sprache“ ist die Bedeutung des Kampfes gegen die sog. „Rechtschreibreform“ jedoch nicht mehr ausdrücklich in der Satzung verankert, ja die Legitimität seiner vereinsinternen Organisation kann bei entsprechender Auslegung der beabsichtigten Satzungsänderung sogar bestritten werden.

Die Bedeutung der Begriffe „wahren“ und „fördern“

Die Ermittlung der allgemeinen lexikalischen Bedeutung der in Frage stehenden Wörter ergibt folgendes:

„Fördern“ bedeutet eigentlich „weiter nach vorn bringen“ (Etymologieduden), „vorwärts schaffen“, „in Gang bringen“, „machen, daß etwas Fortgang hat, gedeiht“ (Pekrun/Planatscher, GfdS: Das deutsche Wort, 12. Auflage), „unterstützen“, „begünstigen“ (Mackensen, 12. Auflage, 1991). Heute kann man „fördern“ mit „unterstützen“ gleichsetzen.

„Wahren“ bedeutet dagegen „in Hut nehmen“, „hüten, aufpassen, schützen“ (Etymologieduden), z.B. seine Interessen und Rechte wahren, „schützen, erhalten“ (Mackensen, 12. Auflage, 1991), „Wahrung“ bedeutet demnach „Erhaltung“, „Schutz“ (Pekrun/Planatscher, GfdS: Das deutsche Wort, 12. Auflage).

Die Begriffe „wahren“ und „erhalten“, die in der Satzung des VWDS ursprünglich allein standen, sind im wesentlichen synonyme Begriffe.

Man erkennt, daß es sich dagegen bei den Begriffen „erhalten“ / „wahren“ einerseits und „fördern“ andererseits schon nach ihrem allgemeinen Sinn nicht um synonyme Begriffe handeln kann, wie der VWDS es behauptet, sondern um stark bedeutungsverschiedene, in gewissen Aspekten sogar gegensätzliche Begriffe. Dies bestätigt ein Synonym-Wörterbuch: „Fördern“ heißt demnach „helfend bewirken, daß etwas gedeiht, daß etwas Fortschritte macht, daß es sich entfaltet und entwickelt u.ä.“ „Fördern“ ist, was den Entwicklungsaspekt betrifft, das Gegenteil von „erhalten“. „Fördern“ wird allerdings auch synonym mit „begünstigen“ gebraucht (Duden: Vergleichendes Synonymwörterbuch, 1964); in diesem Aspekt hat das Wort Gemeinsamkeiten mit dem Wort „erhalten“ .

Es kommt aber bei der Ermittlung von Wortbedeutungen auch auf die Wortbedeutung im konkreten, praktischen Zusammenhang an.

„Fördern“ der Sprache kann zwar theoretisch eine Förderung der herkömmlichen, ohne staatliche Schriftsprachregelung fortentwickelten und dennoch einheitlichen Rechtschreibung auf der Basis des Entwurfs Konrad Dudens bedeuten. Aber das ist hier praktisch so gut wie ausgeschlossen; denn mittlerweile ist zum einen offenkundig geworden, daß das Ziel der Wiener Absichtserklärung vom 1. Juli 1996 nicht eingehalten werden konnte, welches lautet: „Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin“: Die „neue Rechtschreibung“ wird in der Bevölkerung überwiegend nicht akzeptiert, und der Staat und andere Interessenten vermögen sie diesem Widerstand gegenüber nicht durchzusetzen.

Zum anderen ging es der Wiener Absichtserklärung und den Vertretern neuartiger Rechtschreibung und Sprachpflege bei dem „Fördern“ um eine „neue“, nämlich die staatlich verordnete „reformierte“ Schriftsprachregelung. So ist für die Auslegung des Wortes „fördern“ die Formulierung des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 1. Dezember 1995 praktisch maßgeblich. Danach hat die „Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung“ die Aufgabe, „die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum auf der Grundlage des neuen orthographischen Regelwerks (Regeln und Wörterverzeichnis) zu bewahren und die Rechtschreibung im unerläßlichen Umfang weiterzuentwickeln“ (vgl. Handbuch „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“, S. 283 f.).

Mit anderen Worten: Fördern bedeutet aus dieser Perspektive praktisch, die sog. „Rechtschreibreform“, d. h. die [i „neue“ [/i], in vielen Aspekten untaugliche und inakzeptable Rechtschreibung zu propagieren - auch gegen den Widerstand eines Großteils der Bevölkerung - und „weiterzuentwickeln“. Der Begriff „bewahren“ wird dadurch faktisch auf eine Leerformel reduziert. In dem Begriff „fördern“ kann deshalb das Anliegen der Rechtschreibreformgegner nicht aufgehoben sein, eine „natürliche“, d. h. vor allem eine von unsinnigen staatlichen und kommerziellen Einflüssen freie Fortentwicklung der bisher und weiterhin von vielen beachteten, nach ihrer Überzeugung kulturell bewährten und funktionell besonders tauglichen deutschen Schriftsprachtraditionen zu sichern.

Der VWDS/VDS hat diese Perspektive übernommen. Denn was kann es schon anderes bedeuten, wenn gegenwärtig ausgerechnet der bisherige Schlüsselbegriff „Wahrung“ im Namen und in der Satzung des bisherigen VWDS getilgt werden soll und - unter Verdrängung dieses Begriffs auf den semantisch rein ornamentalen Platz einer Leerformel - in den „Leitlinien“ und der Satzung des VWDS/VDS die neuen Gegenbegriffe „Förderung“ und „Weiterentwicklung“ als besonders hervorgehobene und damit tatsächlich maßgebliche auftauchen? Es bedeutet: der Verein soll die Förderung einer künstlich veränderten Rechtschreibung mit vielen Ausnahmen und Varianten, z.B. auch im Sinne einer Produktions- und Verkaufsförderung von Wörterbüchern und anderer Bücher in neuer Rechtschreibung unterstützen, so wie sie die GfdS und das IDS betreiben.

Im Handbuch „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“ ist für den VWDS/VDS denn auch u. a. vermerkt, daß in dessen Leitlinien als Synonym für den Begriff „Förderung“ das Wort „Weiterentwicklung“ steht. „Weiterentwicklung“ steht, wie erwähnt, im Widerspruch zur „Wahrung“ und „Erhaltung“ der Sprache. „Fördern“ der Sprache bedeutet einen Eingriff in die natürliche Entwicklung der Sprache. Für solche künstlichen Eingriffe in die natürliche Entwicklung der Sprache sind aber nur die Reformer, die Kultusminister, die Wörterbuchverlage und deren Lobby. Rund 80 Prozent der Bevölkerung sind gegen die Rechtschreibreform.

Wie man ferner im Handbuch (S. X ff.) nachlesen kann, verstehen auch die staatlich finanzierten Sprachvereine GfdS und IDS unter „Förderung“ nicht nur in einem allgemeinen, unbestimmten Sinne die Entwicklung des Sprachbewußtseins und die finanzielle und ideelle Unterstützung der Sprachwissenschaft, des Sprachlernens und der Sprachberatung. Unter „Förderung“ verstehen sie vielmehr ganz speziell und einseitig auch die sprachpolitische Unterstützung der sogenannten „Rechtschreibreform“ des Staates, wobei sie naturgemäß gleichzeitig alle reformkritischen Bestrebungen der Sprachpflege, der Sprach- und Normenkritik und der Sprachwissenschaft bekämpfen, die versuchen, die herkömmliche Rechtschreibung zu wahren und zu erhalten.

„Förderung der Sprachkultur“ ist überdies auch Sprachpolitik auf „internationaler“ Ebene, wie z.B. die Aufzählung der „Goethe-Institute“, der „Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung“ und anderer Auslandsinstitutionen zeigt. Dieser „internationalen Sprachpolitik“ gegenüber ist heute leider ein gewisses Mißtrauen angebracht. Wie weit nimmt sie etwa die ungerechtfertigte Verdrängung der deutschen Sprache durch internationale Verkehrssprachen wie das Englische, die der VWDS an sich bekämpft, faktisch hin, selbstverständlich bei Aufrechterhaltung schöner Fassaden (wie der eines „Jahres der europäischen Sprachen“)? Wie weit formulieren GfdS und IDS und manche andere wissenschaftliche Germanistenkreise sprachpolitische Linien, die in Richtung einer Aufgabe eines prioritären Interesses an der von ihnen betreuten deutschen Nationalsprache gehen?

Statt in dieser Hinsicht ausreichend skeptisch zu sein, paßt der VWDS/VDS-Vorstand durch allzu große Flexibilität den Verein, der derartiges doch eigentlich verhindern sollte und soll, völlig unnötig (und vermutlich teilweise vereinsrechtswidrig) in den zur Zeit zwar starken, aber wohl kaum dauerhaften zeitgeistigen Sog eines sprachlichen Globalisierungswahns und fortwährender, auch sprachlich-kultureller nationaler Selbstkasteiung ein. Der vom Vorstand - ohne Befragung der Mitglieder - dem Verein gegebene Unter-Name „Bürger für die Erhaltung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas“ markiert diese fehlende Skepsis gegenüber den schönen ideologischen Fassaden globaler Interessenpolitik ebenso wie die beabsichtigte, zum Glück aber noch juristisch bekämpfbare Namens- und Satzungsänderung.

Tatsächlich wird mithin der an sich richtige, anerkennenswerte und mit mancherlei beachtlichen Leistungen verfolgte Zweck eines Dienstes an der gewachsenen deutschen Sprache, den der VWDS als „Verein zur Wahrung der deutschen Sprache“ bisher leisten wollte und sicherlich weiterhin möchte, nicht nur in dem wesentlichen Punkte eines Widerstandes gegen „moderne“ staatliche Schriftsprachregelungen aufgegeben und sogar konterkariert. Vielmehr besteht die Gefahr einer sinnlosen sprachpolitischen Anpassung auch in anderen wichtigen Punkten sprachlicher Selbstbehauptung, auf die ein Volk Anrecht hat. Es geht m. a. W. nicht etwa nur darum, daß man nach der „neuen“ Vereinslinie mit „neutralem“ Desinteresse hinnehmen soll, wie z. B. die vielen Ausnahmen und Varianten der „neuen Rechtschreibung“ die Einheitlichkeit der deutschen Orthographie zerstören, sondern auch darum, daß sich der bisherige VWDS entgegen seiner eigentlichen Absicht durch die in einem „Ein-Punkt-Programm“ liegende „Selbstbeschränkung“, was andere Belange der Sprachverteidigung betrifft, ohne Not faktisch in einen Prozeß einordnet, der, um von vielem nur dies zu erwähnen, - zumindest bei der Vielzahl sprachlich wenig gewandter und selbstbewußter Menschen - generell das Empfinden für Sprachnorm und sinnvolle Sprachgestaltung in der ererbten deutschen Sprache illegitim zu zerstören geeignet ist.

Literatur

  • Karin M. Frank-Cyrus, Anja Steinhauer und Annette Trabold: Förderung der Sprachkultur in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme. Herausgegeben von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) und dem Institut für Deutsche Sprache (IDS). Bearb. von Karin M. Frank-Cyrus, Anja Steinhauer und Annette Trabold unter Mitarbeit von Silke Wiechers und Silke Beckmann. XIII/ 295 S. - Wiesbaden: GfdS, 1999.
  • Theodor Ickler: Regelungsgewalt, Hintergründe der Rechtschreibreform. St. Goar: Leibniz Verlag, 2001.
  • Theodor Ickler: Die Rechtschreibreform ist am Ende. In: DIE WELT, 29.06.2001, S. 8.
  • Silke Wiechers: „Wir sind das Sprachvolk“ – aktuelle Bestrebungen von Sprachvereinen und –initiativen. In: Muttersprache, Vierteljahresschrift für deutsche Sprache, Hrsg.: Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), Wiesbaden, Jahrgang 111, Heft 2, Juni 2001, S. 147 – 162.

Querverweise

Netzverweise

  • Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) - Wikipedia
  • Institut für deutsche Sprache (IDS) - Wikipedia
  • Verein Deutsche Sprache (VDS) - VDS
  • Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege (VRS) - VRS

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Ein Verweis auf diesen Aufsatz, der eine sprachpolitische Verdrängung des Begriffes „Wahrung der Sprache“ aufzeigt und kritisiert, wurde in der Wikipedia-Enzyklopädie als irrelevant gelöscht.

Professor Christian Gizewski, gizeoebg@linux.zrz.tu-berlin.de, hatte diesen Aufsatz zuerst in seiner Internetseite publiziert: http://www.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Cricetus/SOzuC1/SOVsRSR/ArchivSO/MRiebe1.htm

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